Bin heute morgen mit Kopfweh aufgewacht bzw. hatte schon die ganze Nacht Kopfschmerzen – keine Ahnung, ob das die Höhe ist oder die Erkältung, die ich gerade mal wieder hab dank der krassen Wetter- und Temperaturwechsel. Aber nach dem leckeren Frühstück und zusätzlich Wasser war dann alles wieder okay und ich beschloss, heute die Red-Cap Guided Walking Tour mitzumachen. Treffpunkt war am Plaza Sucre, oder auch Plaza San Pedro genannt, nach dieser Kirche hier:

Im Hintergrund sieht man, wie sich die Häuser bis auf die Berge hinaufziehen. La Paz ist echt riesig!
Unsere Tour begann mit ein paar Fakten zum Gefängnis San Pedro, das direkt an diesem Platz mitten in der Stadt liegt. Eigentlich ist es für 400 Insassen gedacht, es leben aber ca 1500 Menschen dort, da es erstens inzwischen mehr Gefangene hat und zweitens Familienangehörige dort mit wohnen dürfen. „Bewacht“ wird das Gefängnis von 15 Wärtern, die aber nur auf den Wachtürmen sind, ansonsten verwaltet sich das Gefängnis und die Gefangenen komplett selbst, es ist wie eine Stadt in der Stadt. Bis vor ein paar Jahren konnte man als Tourist sogar Touren durch das Gefängnis machen, aber da das einen florierenden Drogenhandel zur Folge hatte und dann ein paar Touristen getötet wurden, wurde das verboten. Heute gibt es trotzdem noch illegale Touren, die aber ziemlich gefährlich sind. Ich sollte vielleicht noch erwähnen, dass hier nicht die Schwerverbrecher untergebracht sind (für die gibt es ein Hochsicherheitsgefängnis außerhalb der Stadt), sondern hauptsächlich Kriminelle mit Drogendelikten oder kleineren Vergehen.
Dann ging es weiter zu den Märkten. Da einer in den anderen übergeht und irgendwie sowieso alles überall verkauft wird, erspar ich euch die Namen der „einzelnen“ Märkte 😜. Es war Samstag und somit Markttag, und dementsprechend ging es zu mit allem, was dazu gehört: Gedränge, Marktschreier, viele verschiedene Gerüche (manche gut, andere eher nicht so), Cholitas (indigene Marktfrauen in ihren berühmten Kostümen) und eine wahre Farbüberflutung. Angeblich erstrecken sich die Märkte über 40 Blöcke – aber irgendwie ist eh ganz La Paz ein einziger Markt.


Der einzige Markt, der anders ist, ist der Mercado de las Brujas, der Hexenmarkt. Dort gibt es alles mögliche Zeug, das man hier gerne Pachamama (Mutter Erde) opfert, um sie gnädig zu stimmen: 96%iger Alkohol, jede Menge Süßkram (sie steht wohl auf Süßigkeiten 😜), Amulette, tote Lamababies oder Lamaföten, usw…


Angeblich müssen die Lamababies aber eines natürlichen Todes sterben, sie werden nicht zu Opferzwecken getötet. Und für welche Gelegenheiten braucht man nun so einen Lamafötus? Der wird, wenn man ein Haus baut, in die Baugrube und das Fundament geworfen, um das Haus zu beschützen – natürlich zusammen mit Alkohol, Süßigkeiten und Kokablättern.
Hier noch ein Blick in so einen Hexenladen mit einer Cholita davor:

Hier sieht man ansatzweise die Tracht, die typisch ist für indigene Frauen in Bolivien (ich muss die Tage nochmal auf den Markt und eine Cholita fragen, ob ich ein Foto machen darf): der Bowlerhut, der über den Beziehungsstatus Auskunft gibt (gerade auf dem Kopf heißt vergeben, schief bedeutet noch zu haben), lange Ärmel, um die Haut zu schützen, und einen Petticoat mit möglichst vielen Schichten, damit die Frau möglichst breit in der Hüfte wirkt. Das Schönheitsideal hier ist etwas anders als bei uns, hier steht Mann auf gebährfreudiges Becken, eher kräftige (auch muskulöse) Frauen mit strammen Waden, die die Berge hochlaufen können mit Kind auf dem einen Arm und einem Sack Kartoffeln im anderen. Wenn eine Cholita einen Mann interessant findet, zieht sie ihren Rock etwas nach oben und zeigt ihm ihre (hoffentlich muskulöse) Wade. Tja, andere Länder, andere Sitten 😊.
Aber wir haben auch Dinge gemeinsam: Auch Bolivianern ist Markenware sehr wichtig 😂:

Danach ging’s zum Plaza San Francisco und zum Mercado Lanza, einem riesigen Indoormarkt, der um diese Uhrzeit aber eher sehr verschlafen war.


Danach verließen wir den eher indigenen Teil der Stadt und machten uns durch das Kolonialviertel auf den Weg zur Plaza Murillo, dem bekanntesten und wichtigsten Platz der Stadt. Hier noch ein kleiner Eindruck vom normalen Verkehrschaos um die Plaza San Francisco:



Die Plaza Murillo ist wirklich sehr sehenswert:

Die Kathedrale:

Der Wohnsitz des Präsidenten (Palacio Quemado), der aber nicht mehr als Wohnsitz genutzt wird, seit ein Präsident dort von Regierungsgegnern getötet wurde. Im Vordergrund unsere beiden Guides Marie und Max von der Red-Cap-Agentur, sie waren wirklich gut! Und es war die erste Führung auf Englisch für mich bisher 😬👍🏻

Links davon befindet sich der National Congress, in dem laut unseren Guides nicht wirklich gearbeitet wird. Trotzdem ein sehr schönes Gebäude!

Die linke Fahne in den Regenbogenfarben steht übrigens für alle indigenen Völker, von denen es in Bolivien 36 gibt. Die mittlere Flagge ist die Nationalflagge, die rechte Flagge ist laut Marie „die Flagge der Hoffnung“, es ist die „Naval flag“ (irgendwann, bevor Bolivien einen Krieg mit Chile verlor, hatte Bolivien ein Stück Küste), die zeigt, dass Bolivien immer noch darauf hofft, irgendwann wieder Zugang zum Meer zu bekommen.
Es gibt noch eine Besonderheit an diesem Gebäude, findet ihr sie (es ist nicht der Kran)?

Genau, die Uhr geht in Bolivien andersrum! Diese Uhr ließ der jetzige Präsident Evo Morales einbauen als Zeichen der Abkehr vom westlichen, kapitalistischen und modernen Denken zurück zur Tradition. Er ist der erste indigene Präsident von Bolivien (und es gab unzählige!!!), der viel für die Rechte und Gleichberechtigung der indigenen Völker getan hat. Trotzdem ist er sehr umstritten, unter anderem wegen seines Standpunktes zum Kokaanbau – er ist selbst Kokabauer! Seiner Ansicht nach gehört Koka zur bolivianischen Kultur und darf wieder offiziell angebaut werden, was den Amerikanern natürlich ein Dorn im Auge ist, denn aus dem meisten Koka wird Kokain hergestellt…
Die Bolivianer sind ein sehr protestfreudiges Völkchen, doch leider arten diese Proteste häufig in Gewalt aus. Von einem solchen Protest zeugen diese von Schusswaffen verursachten Löcher in der Häuserwand eines Hauses an der Plaza Murillo:

Bei diesem Protest 2003 wurden etliche Menschen getötet.
Nach der Stadtführung erkundete ich noch auf eigene Faust einige Viertel. Ich pilgerte zu einem der Aussichtspunkte über La Paz, dem Mirador Killi-Killi, und die nicht unerhebliche Anstrengung, um den Berg zu erklimmen bei der dünnen Luft, hat sich gelohnt:





Danach machte ich mich auf den Weg zurück zum Hostel mit zwei kleinen Umwegen. Der erste führte zum Stadion, zugegebenermaßen kein Anblick, der einen vom Hocker reißt…

Der zweite Umweg war gastronomischer Art und führte mich zur Feria Gastronomica, einem Foodfestival:

Um fünf, als ich da war, war noch nicht so viel los, hier in Südamerika wird eher immer sehr spät gegessen.


Nach umfassender Recherche, sprich zwei Runden um den Foodcourt, entschied ich mich für ein Gericht, das typisch für die Yungas ist (Namen hab ich vergessen) mit Kartoffeln, grünen Bananen, Kochbananen, einem Gemüse, das ich nicht kannte, und Lama- und Hühnchenfleisch, war sehr lecker!!

Nach dem Essen bekam ich sogar noch eine Tanzshow geboten! Während eine Band während des Essens bolivianische Musik spielte, traten dann danach diese acht Frauen und Männer auf:


Ich hab natürlich auch ein kurzes Video davon gemacht:
Vollgefressen und gut gelaunt machte ich mich dann auf den Heimweg (bergauf – ächz!), heute ist nur noch bissl lesen angesagt.
Wünsch all meinen Kollegen einen guten Start ins neue Schuljahr!! Ich werd am Montag mal an euch denken, während ich die Death Road mit dem Bike runterheize 😊
Viele Grüße aus La Paz!
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