Hallo liebe Leser, endlich mal wieder ein Lebenszeichen von mir! Es gibt soooo viel zu berichten und nachzuholen, nachdem ich nicht gerade sehr schreibfleißig war in den letzten Monaten, aber heute konzentriere ich mich erstmal auf die letzten 5 Wochen, also die Zeit post Cyclone Gabrielle.
Ich hatte euch ja geschrieben, dass wir in Sicherheit sind, denn ich dachte mir, dass die ganzen Überschwemmungen in Neuseeland infolge des Tropensturms auch im deutschen Fernsehen thematisiert würden, und wollte nicht, dass sich alle Sorgen um mich machen. Paddy und ich waren zu der Zeit gerade auf einem Motorradtrip auf der Südinsel (darüber berichte ich euch dann im nächsten Blog), also weit weg von dem ganzen Chaos. Sobald wir von Tracy hörten, dass das Camp evakuiert wird weil der Flussdamm gebrochen war, buchten wir Rückflugtickets nach Napier für den nächsten Tag . Am frühen Morgen fuhren wir von Lake Tekapo nach Christchurch, lagerten unser Motorrad und die Motorradsachen bei Freunden ein und flogen nach Napier, wo wir erstmal stecken blieben, denn viele Straßen und Brücken waren wegen des Sturms unpassierbar. Zum Glück sind wir mit Rosco, einem Piloten befreundet, der lieh sich eine kleine Cessna in Waipukurau und holte uns in Napier mit dem Flieger ab – echt cool! Das gab uns gleich auch die Chance, Central Hawke’s Bay nach dem Sturm aus der Luft zu sehen… Ich bin ja nicht so der Held mit Fliegen und hatte schon ein wenig Respekt vor dem winzig kleinen Flugzeug, aber es flog viel ruhiger als die meisten Passagierflugzeuge!





Und dann flogen wir über unseren Campingplatz. Das Wasser war schon ein paar Stunden nach der Flut wieder weg gewesen, aber das angerichtete Chaos war selbst aus einiger Höhe nicht zu übersehen… Ich habe euch zum Vergleich eine Luftaufnahme unseres Holiday Parks von zwei Wochen vor der Überschwemmung eingefügt, quasi nach dem Motto „Finde die Fehler“ (es sind mehr als 10…):


Doch was war genau passiert? Der Cyclone Gabrielle hatte in den nahegelegenen Ruahine Ranges in 24 Stunden so viel Regen gebracht wie dort normal in 6 Monaten runter kommt, so dass der Waipawa River sich von einem Rinnsal in einen reißenden Fluss verwandelt hatte und etliche Bäume, Brücken und was sich sonst noch im Weg befand mit sich riss. Der Flussdamm konnte diesen Massen nicht standhalten und brach an mehreren Stellen, so dass der Fluss plötzlich durch alle angrenzenden Grundstücke, Häuser, Wohnwägen usw durchfloss. Unsere Campbewohner hatten 10 Minuten Zeit, das Camp zu verlassen nachdem die Feuerwehr kam und sie zur Evakuierung aufrief. Das Wasser war in dieser Zeit im Camp von bodenbedeckt auf hüfthoch gestiegen! Einige schafften es noch, mit dem Auto hinaus zu fahren, so wie Graham, von dem ich dieses Bild habe:

Danach muss der Fluss ca 1m hoch durch das Camp geflossen sein, er riss Zäune, Wohnwägen, Cabins, Bäume, Holz von der gegenüberliegenden Holzfabrik und alles mögliche andere mit, was herumstand. Alle unsere Gebäude, Wohnwägen und Wohnmobile, Container, Workshop, Schuppen und communal facilities wurden geflutet und beschädigt, und als das Wasser ein paar Stunden später zurückging, bot sich ein Bild der Verwüstung:





Wie man an obigen Bildern sehen kann, war der Zaun komplett verschwunden bzw. platt gemacht, ebenso der Garten, der direkt hinter dem Zaun war. Dafür lag das Ortsschild, das normal einige hundert Meter weiter weg steht, auf unserem Grundstück.
Hier einige Eindrücke vom Campingplatz:
Zwei unserer Cabins wurden zerstört, eine wurde etwa 200m weiter geschwemmt und stand ganz woanders als sonst. Das war schon ein sehr trauriger Anblick:
Auch unsere communal facilities und unsere TV Lounge hatten einiges abgekriegt, aber da der Block aus Steinen und Beton besteht, stand er wenigstens noch. Doch die ganzen Waschmaschinen, Trockner, Küchenherde und Kühlschränke waren natürlich voller Wasser und Schlamm:
Der Schlamm, im Englischen „silt“ genannt, ist echt am schlimmsten! Er ist voller Zeug, das man nicht um sich haben will (Chemikalien, Bakterien, Abwasser,…) und sehr hartnäckig! Erst trocknet er ewig nicht und man läuft ständig durch wadenhohen übel riechenden Schlamm, dann trocknet er und verwandelt sich in ganz ganz feinen Staub, der in jede Ritze eindringt und den man die ganze Zeit einatmet. Ich hab keine Ahnung, ob wir den jemals wieder los werden! Man fühlt sich die ganze Zeit dreckig und staubig, und unser Haus ist ständig voll damit, obwohl es das einzige Gebäude ist, das innen kein Wasser ab bekam. Aber man trägt den silt an den Füßen von der Veranda ins Haus, Harvey bringt ihn an Füßen und Fell hinein und der Wind erledigt den Rest – es ist echt ätzend! Und wenn man putzt, hält es ungefähr 2 Minuten, dann ist alles wieder staubig. Naja, man gewöhnt sich an alles…
Die Lodge, ein Haus, das wir hauptsächlich an die Erntehelfer oder an Familien oder Gruppen vermieten, hatte nicht so viel Glück wie unser Haus, hier lief das Wasser durch:





Fünf unserer eigenen Wohnwägen sind ebenfalls zerstört, von denen leider nicht alle versichert waren… wir hoffen, dass wir ein paar davon noch retten können. Hier nur ein Eindruck von unserem Oxford Caravan, der unterhalb des Fensters von der Anhängerkupplung eines anderen Wohnwagens wie eine Dose aufgeschlitzt worden war:



Auch vor dem hinteren Teil unseres Grundstücks, wo unsere Woodshed mit unserem Feuerholz und weitere Hütten und Container mit allem möglichen Zeug sind, hat der Fluss nicht Halt gemacht. Er riss die Rückwand der woodshed zusammen mit einem großen Teil unseres Feuerholzes für den Winter mit sich, und richtete in den anderen Hütten weiteres Schlamm- und Dreck-Chaos an. Zum Glück bekommen wir ausreichend neues Feuerholz für den Winter kostenlos von der benachbarten Holzfabrik (ich muss also nicht frieren ;-)) – vielen Dank!




Unser Haus war glücklicherweise trocken geblieben und für sicher erklärt worden, so dass wir gleich in der ersten Nacht nach unserer Rückkunft dort schlafen konnten. Als wir ankamen, hatten wir weder Strom noch Wasser, doch beides wurde sehr schnell wieder hergestellt, schon zwei Tage nach dem Sturm funktionierte es wieder. Leider musste das Wasser drei Wochen lang abgekocht werden bzw. konnte nicht getrunken werden, da die water treatment plant auch schwer beschädigt worden war. Aber inzwischen haben wir wieder sauberes Trinkwasser, und auch keine Wasserlimitierung mehr. Wir hatten echt Glück mit unserem Haus, das Wasser kam buchstäblich bis zur Haustüre hoch, also über unsere Veranda drüber, aber machte dann an der Türe halt! Unser Garten hat jedoch leider den ganzen Schlamm und Dreck abbekommen:


Am nächsten Morgen nutzten wir unseren Spaziergang mit Harvey dazu, uns den Schaden an der River Stop Bank und in der Umgebung mal anzuschauen. Unter der Eisenbahnbrücke steckten zwei große Wassertanks fest und blockierten die Öffnung, woraufhin sich das Wasser nebendran einen Weg gebahnt und die Brückenseite mit all dem Geröll und Kies herausgesprengt hatte, so dass nur noch die Gleise in der Luft hingen. Von dort floss der Fluss direkt durch unser Camp, nicht ohne 5 oder 6 weitere Wassertanks mitzunehmen, die wie Bowlingkugeln durch den Holiday Park schwammen und alles platt machten, was im Weg war.



Ein Stück weiter flussaufwärts war der Flussdamm an mehreren Stellen gebrochen:
An so viel Zerstörung könnte man schon verzweifeln, aber wir hatten zum Glück soooo viele Helfer in der ersten Woche, dass das Schlimmste ziemlich schnell aufgeräumt war. Es war echt der Hammer! Ganz viele freiwillige Helfer strömten in unseren Holiday Park, bewaffnet mit Baggern, Trucks, Anhängern, Schubkarren, Schaufeln, Putzzeug oder auch einfach ohne alles und packten mit an. Paddy und ich hatten Tränen in den Augen, als die ersten kamen! Über die ganze Woche waren es hunderte Leute, die entweder kamen, weil sie uns kannten und uns helfen wollten oder auch einfach nur, weil sie im Radio gehört hatten, dass Hilfe gebraucht wird. Auch ortsansässige Firmen beteiligten sich mit ganzen Arbeitstrupps und schwerem Gerät an den Aufräumarbeiten, und alles freiwillig und unentgeltlich! Der community spirit war wirklich großartig! Und es waren ja nicht nur wir, die Hilfe brauchten – alle Grundstücke nahe des Flusses waren überflutet worden. Die Gemeinde hatte ganz schnell einen Sammelpunkt für freiwillige Helfer organisiert und schickte von dort die Trupps zu den Menschen, die Hilfe brauchten. Hier ein paar Eindrücke von den Aufräumarbeiten:












Obendrein wurden wir mit Essen und Trinkwasser bis zum Abwinken versorgt, so dass sich alle Helfer ausgiebig stärken konnten. Ich weiß nicht, wie viele Leute Essen zubereiteten und verteilten, aber es müssen hunderte gewesen sein, so viel Essen, wie alleine bei uns ankam! Die einzigen Ausgaben, die wir in dieser ersten Woche hatten, war für Diesel für die Bagger und Bier für die Helfer. Hier ein paar Eindrücke von den Pausen:
Vielen vielen Dank nochmal an alle Helfer!!! Ohne euch hätten wir das nie geschafft!
Inzwischen schaut es schon wieder viel besser aus bei uns, der ganze Müll ist weg, das Gras wächst nach und viele Wohnwagen-„Leichen“ sind inzwischen abgeholt worden. Aber natürlich ist noch jede Menge zu tun, und das wird auch noch einige Zeit so bleiben. Wir haben leider einige unserer permanents verloren, entweder weil sie nicht mehr nahe an einem Fluss wohnen wollten oder weil sie nicht versichert waren und ihren Wohnwagen verloren haben. Von den fast 30 sind uns 13 geblieben, wobei der ein oder andere eventuell noch zurück kommt, und wir werden ganz sicher wieder neue Bewohner finden, die zu uns passen. Offiziell sind wir im Moment geschlossen, wir wollen aber ab April wieder für Camper und Wohnwägen öffnen. Die Reparatur und Renovierung bzw. Neubau unserer Cabins wird aber eine Weile dauern, wahrscheinlich wird es Frühling werden, bis wir wieder im Normalbetrieb sind.
Bis Ende April haben wir außerdem 15 Erntehelferinnen aus Tuvalu hier, die für Mr.Apple arbeiten. Eigentlich hätten wir 36 Leute bekommen sollen, aber da all unsere Gebäude unbewohnbar sind, sind es nur die 15, für die Mr. Apple kleine Cabins gemietet und bei uns aufgestellt hat (zum Glück nach der Überschwemmung!). Wir haben also wenigstens ein bisschen was an Einkünften. Glücklicherweise sind wir versichert, auch gegen loss of income, so dass wir imstande sein sollten, den Campingplatz wieder aufzubauen. Bisher klingen die Leute von den Versicherungen sehr vernünftig und großzügig, aber es muss sich erst noch herausstellen, wie gut wir wirklich versichert sind…
Letzte Woche haben endlich die Arbeiten an den Gebäuden begonnen.Es mussten alle Wände geöffnet werden, damit sie trocknen und von silt gereinigt und desinfiziert werden können. Im Moment schauen alle Gebäude echt schlimm aus! Aber sobald sie trocken sind geht es ans Wiederaufbauen, Streichen und Renovieren, und danach sieht alles viel besser aus als vorher! Das ist der Ist-Zustand in unserer kleinen Selbstversorger-Villa momentan:



Außerdem wurden heute die Duschen und Wände im Herren-Waschraum rausgerissen, dahinter/darunter war es auch 5 Wochen nach der Überschwemmung noch nass und es fing an zu schimmeln. So sieht es dort gerade aus:



Lustig, was sich hinter den Duschwänden so verbirgt:

Gestern wurde außerdem die Unterbodenisolierung unter unserem Haus entfernt. Irgendwie hatten wir gehofft, dass unser Haus völlig ungeschoren davon gekommen war, aber nach einiger Zeit begann es zu riechen, der Fußboden begann sich zu wölben und unsere Türen klemmen. So war klar, dass es unter dem Haus noch feucht sein muss und das ganze Zeug raus muss – was für eine ätzende Arbeit, im Dreck unter dem Haus im Dunkeln herumzukriechen und Isolierung zu entfernen! Mir haben die Jungs echt leid getan!


Vor zwei Wochen hat uns unser deutscher „Dauercamper“ Maxim verlassen. Er war Ende Dezember eigentlich für nur 1 oder 2 Nächte gekommen und ist dann fast 3 Monate geblieben – zuerst hat er seinen Van zu einem self contained vehicle ausgebaut (mithilfe von Paddy’s Werkzeugen und Workshop, den Paddy ihm gerne zur Nutzung überließ), danach baute er eine Treppe für Kelly’s Tiny House (sie hat die Überschwemmung unbeschadet überstanden), danach arbeitete er auf einer Baustelle, um noch ein wenig Geld zu verdienen, und dann half er uns nach der Überschwemmung. Wir hätten ihn gerne hier behalten, auch wenn er uns manchmal beim Kicker schlug ;-). Harvey liebte ihn für sein ausdauerndes Chucky-Werfen und Gassigehen, ich bin ganz sicher, dass er ihn sehr vermisst. Aber natürlich ist er nicht nach Neuseeland gekommen, um das ganze Jahr in einem Nest wie Waipawa zu verbringen! Gute Reise und viele tolle Abenteuer, lieber Maxim, und komm uns nochmal besuchen, bevor es wieder nach Hause geht!


So, das wars erstmal von mir für heute. Ich hoffe, ich komme bald dazu, euch von unserem (leider sehr kurzen) Motorradtrip und der Zeit davor zu schreiben, aber wie ihr euch sicher vorstellen könnt, sind wir gerade ziemlich busy mit Wiederaufbau. Ich hoffe, euch geht es gut. Bei euch wird es jetzt Frühling, wir hingegen haben Herbst, und das nach einem nicht vorhandenen Sommer, igitt!!!! Ich hoffe, dass wenigstens der Herbst schön wird… und dann der nächste Sommer. Die letzten beiden waren echt mehr als mäßig, dieses Jahr quasi gar nicht vorhanden mit dem vielen vielen Regen. Ich glaube der wärmste Tag war 26 Grad. Naja, kann eigentlich nur besser werden 😉
Wie immer freue ich mich über Kommentare, WhatsApps, Texts, emails, Anrufe usw! Last mal was von euch hören! Und lasst es euch gut gehen!
Eure Susi
Ohje! Das war ja schrecklich! Gut, dass ihr eine Versicherung und so viele Helfer habt – ich glaube, ich hätte wochenlang nur geheult … Alles Gute für euch, einen schönen Herbst und viel Freude bei allem, was ihr anpackt
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OMG! I feel for all of you. For New Orleans, Kathrina was a blessing in disguise. The old was swept away and a new, more beautiful city evolved. Maybe, it will be the same for you. Best wishes for a speedy recovery and good luck!
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Das ist so traurig, Euer schönes Camp so verwüstet zu sehen! Aber toll, was Ihr leistet und wie viel Hilfsbereitschaft da ist. Noch scheint die Menschheit also nicht ganz verloren zu sein. Ich wünschte, ich hätte bei Euch sein können, um mit anzupacken (wenn auch nicht unbedingt unter dem Haus. *grusel*). – Kaum zu glauben, dass es schon wieder fast ein Jahr her ist!!! Hoffentlich auf bald. Herzliche Grüße!
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Hi Tibor, danke für deine Nachricht, so schön von dir zu hören! Unser Camp wird schon wieder, es dauert halt seine Zeit, aber dann ist es schöner als vorher! Ist echt krass, dass dein Besuch hier schon fast ein Jahr her ist! Ich hoffe dir gehts gut und du lässt dich nicht allzu sehr stressen? Liebe Grüße, auch von Paddy!
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